Montag, 2. März 2020

Ein Blick in die Zukunft


In den letzten Wochen habe ich noch einmal, extrem viele unterschiedliche Erfahrungen machen dürfen. Dabei konnte ich neue Menschen kennen lernen und mit ihnen über Gott und die Welt reden. Sehr spannend fand ich die Tatsache, dass in Kirgistan ein grosser Mix von unterschiedlichen Nationalitäten und Kulturen aufeinandertreffen. Auch ist hier alles ein wenig lockerer und spontaner als in der Schweiz. 

In diesem Eintrag möchte ich ein grobes Bild der momentanen Situation in Bischkek sowie Kirgistan zeichnen. Dabei ist mir bewusst, dass vieles sehr subjektiv ist. Was mich stört kann für andere ganz normal sein. Dazu habe ich einige Fragen an Sezim, eine Mitarbeiterin an der Universität, gestellt. Die Fragen und Antworten sind ganz am Schluss angehängt.


Ala-Too Platz mit Manas Statue. Quelle: Carnal 2020



Statue vor dem "Eichen-Park". Bischkek war zu Sowjetzeiten bekannt für die vielen Parks und Grünflächen. Heute existieren diese immer noch aber sind einem grösseren Nutzungsdruck ausgesetzt. Quelle: Carnal 2020

Blick auf die nahegelegenen Berge. Quelle: Carnal 2020


Wie siehst du dein Gastland/Bischkek in 10 Jahren? 

Die Entwicklung von Bischkek und ganz Kirgistan für die nächsten zehn Jahre abzuschätzen ist in meinen Augen sehr schwierig. Es hat sich seit der Unabhängigkeit, vor bald 30 Jahren sehr viel getan. So gehört Kirgistan beispielsweise zu einer der wenigen Staaten in Zentralasien mit einer funktionierenden Demokratie. Mit Ausnahme einiger Grenzstreitigkeiten mit den Nachbarsländern und zwischenzeitlichen Unruhen zwischen unterschiedlichen Ethnien sowie der Absetzung zweier Präsidenten in den Jahren 2005 und 2010 kann die Situation dennoch als einigermassen stabil und ruhig bezeichnet werden. Die Infrastruktur für Telekommunikation und Verkehr empfinde ich zumindest in Bischkek als sehr gut. Es gibt sehr viele Restaurants mit sehr gutem Essen und in so gut wie jedem Quartier existieren Einkaufsmöglichkeiten. Auch was die Situation in entlegeneren Regionen betrifft so hat sich die allgemeine Situation in den letzten Jahren verbessert. Besonders stolz ist man auf die sehr schmucken Einkaufszentren. 

Eines der vielen Einkaufszentren im Zentrum von Bischkek, das Tsum Center. Quelle: Carnal 2020

Ein Blick auf den Osch-Basar auf dem man einfach alles kaufen kann. Quelle: Carnal 2020


Generell sind die Menschen sehr gut gekleidet und legen auch Wert auf ein gepflegtes Äusseres. Von den freundlichen Gesten könnten man sich auch in der Schweiz eine gehörige Portion abschneiden. So ist es hier eine absolute Selbstverständlichkeit seinen Sitzplatz Frauen und älteren Menschen ohne Aufforderung anzubieten. Grüssen tun sich hier nur die Männer untereinander mit einem herzlichen Händeschütteln.
Aber natürlich ist nicht Alles nur positiv. So sind beispielsweise die Mieten im Vergleich zu den Durchschnittslöhnen sehr hoch. Für meine Wohnung im Zentrum bezahle ich 300 USD pro Monat. Man beachte: Ein Durchschnittslohn eines normalen Arbeiternehmers in Kirgistan liegt gemäss Internetrecherche bei 800 USD pro Monat! Viele mit denen ich gesprochen haben gehen sogar eher von Durchschnittslöhnen um die 250 USD aus. Es verwundert daher nicht, dass ein Grossteil der Familien noch immer auf Zahlungen von Angehörigen aus dem Ausland angewiesen sind.
Korruption und Vetternwirtschaft sind in Kirgistan ein grosses Problem. Ersteres konnten wir am eigenen Leibe miterleben. Auf dem späten Nachhauseweg von Almaty nach Bischkek wurde unser Taxi von einem Polizisten angehalten. Da der Chauffeur die benötigten Fahrzeugpapiere nicht bei sich hatte, hätte er uns eigentlich ausladen und auf die Polizeistation gehen müssen. Stattdessen fuhr der Polizist sein Auto an den nicht beleuchteten Strassenrand und befahl dem Chauffeur einzusteigen. Nach ein, zwei Minuten und der Bezahlung einer guten Stange Geld rannte unser Fahrer zurück in unser Auto und sah zu, dass wir uns schleunigst aus dem Staub machten. Leider ist dieser Vorfall eher die Regel als die Ausnahme wie wir auf Nachfragen erfuhren. Auch zu Beginn des Praktikums wurde mir mitgeteilt, bei Problemen lieber nicht die Polizei zu rufen, da diese ausser Geld einzustecken, nicht viel unternehmen würden. Ob und wie diese Probleme in den nächsten Jahren bekämpft werden können steht in den Sternen. Es fehlt an Mitteln und dem Willen auch wirklich etwas ändern zu wollen.
Was die Anstrengungen zur Verringerung der Umweltverschmutzung angeht sieht es für Bischkek eher düster aus. Wie bereits Studenten aus früheren Jahren vermerkt haben, hat sich die Luftqualität in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Dies geht auf die Zunahme an (meist älterer) Autos und dem Fällen von vielen Bäumen, die noch aus der Sowjetzeit stammen zurück. Zeitweise gehörte Bischkek zu den Städten mit der höchsten Luftverschmutzung weltweit [1, 2].

Inversion über Bischkek am Morgen. Der graue Dunst stammt von einem der vielen Kraftwerke direkt neben der Stadt. Quelle: Carnal 2020

Das Bild lässt erahnen wie stark der Smog teilweise sein kann, dabei ist die Luft noch vergleichsweise klar. Gegen Abend kann man dann oft nicht einmal mehr den Himmel sehen. Quelle: Carnal 2020

Baum Neupflanzungen innerhalb eines nahegelegenen Parks in Bischkek. Quelle: Carnal 2020

 

Wie kommst du bei deinem Projekt voran? Erfolge, Stolpersteine? Wie läuft die Arbeit im Team? Erzähle von deiner Arbeit die du geleistet hast!

Die Arbeit im Labor läuft bisweilen unvermindert ohne grössere Störungen weiter. Zeitweise hatten wir ein Problem mit Kontaminationen in den Ansätzen der PCR, wobei nicht ganz klar war, von wo die Verunreinigungen herkamen. Nach einigen Analysen und austesten konnten wir den Ursachen auf den Grund gehen und haben in den zwei Monaten bereits einen grossen Teil der Ziele, die ich mir gesetzt habe, erledigt. Dadurch hatte ich Zeit den zwei Studentinnen Elzat und Sagynach ein wenig allgemeine Laborpraktiken zu zeigen und beizubringen. Auch habe ich Sagynych dabei geholfen ihren Lebenslauf sowie ein Motivationsschreiben auf Englisch zu schreiben, damit sie sich für einen Auslandsmaster in Ungarn bewerben konnte. Die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten gestaltet sich bisher sehr harmonisch, auch wenn es manchmal schwierig ist sich zu verständigen. Dies da mein Russisch und das Englisch einiger Studenten, nun ja, gelinde gesagt ausbaufähig sind. Dennoch werde ich sehr freundlich behandelt und der anfängliche zu grosse Respekt meiner Person gegenüber hat sich gelegt.

Welche Aufgaben stehen in der verbleibenden Zeit noch an?

In den nächsten Tagen senden wir einige Proben von Streptomyces Isolaten nach Südkorea, um sie dort von einem Dienstleistungslabor sequenzieren zu lassen. Zudem möchte ich für Kirgistan eine Übersichtskarte mit allen positiven und analysierten Fällen von Feuerbrand erstellen. Diese soll dabei helfen genauer zu verstehen wie sich das Bakterium im Land ausbreitet und ob es mehrere Import-Wellen von infizierten Jungbäumen gab. Denn darauf deuten die bisherigen Ergebnisse hin.

Hättest du noch ein Jahr länger Zeit bei deiner Organisation zu arbeiten, was würdest du noch alles in Angriff nehmen wollen?

Die Forschungsgruppe wird sobald es draussen wärmer wird, damit beginnen biologische Bekämpfungsmittel gegen Erwinia amylovora in Feldversuchen zu testen. Diese Arbeit fände ich äusserst interessant zu begleiten und ebenfalls mit Laboranalysen zu vervollständigen. Zudem kommen auch dieses Jahr wieder neue E. amylovora Isolate von infizierten Bäumen hinzu, die es zu analysieren gilt. Ausserdem bin ich bereits daran, eine Liste mit benötigten Geräten und Materialien für das Labor zusammenzustellen. Inwiefern ich in den verbleibenden fünf Wochen noch Zeit habe auch die Bestellungen aufzugeben ist noch nicht ganz klar.


[1] https://akipress.com/news:629914:Bishkek_temporarily_becomes_one_of_most_polluted_cities_in_world/
[2] https://24.kg/english/136517_Bishkek_takes_14th_place_in_air_pollution_ranking/


Interview mit Sezim


Question 1: How happy are you with your current situation (studies, job, friends and so on…)?



Hello, I`m Sezim. I`m 25 and I work at Kyrgyz-Turkish “Manas” university as a research assistant. I`m working here for about two years and I really love my job. Every time I learn something new, discovering more opportunities for myself, and my teachers, friends and of course my family always help me with this. 



Question 2: How is life in Kyrgyzstan? Are you happy with how things are, or do you think there is room for some changes (politics, air quality, economy, …)?

In my opinion, life in Kyrgyzstan is very difficult. There is a high unemployment rate. It is not easy for people to find a job after graduation from educational institutions. So that`s why, the able-bodied population of the country is forced to immigrate to other countries in the hope of a better life. Currently one of the main activities is light industry and private small business. The standard of living of the population is mainly supported by remittances from migrants and agriculture. But there are also good aspects of life in Kyrgyzstan, these are nature, mountains, clean air, kind and hospitable people.


Question 3: In the past ten years, do you think some transformation happened (religion, politics, did the mindset of the people change)? Did these changes affect your private life?

Over the past 10 years, life in Kyrgyzstan has not changed much, the political elite has remained the same, that is, mainly those people with outdated political views and foundations come to power. The population of country still continues to immigrate, increase the number of children growing without parents and proper education. And this is very sad.


Question 4: How do you see Kyrgyzstan or Bishkek in ten years? Will the situation of the people be better, same or worse?

In the future, everyone certainly wants to see the country prosper in all areas. But given the current realities, this seems to be something very distant. But people in Kyrgyzstan are get used to looking positively at the future and living with hope for better changes.
 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen