In den letzten Wochen habe ich noch einmal,
extrem viele unterschiedliche Erfahrungen machen dürfen. Dabei konnte ich neue
Menschen kennen lernen und mit ihnen über Gott und die Welt reden. Sehr
spannend fand ich die Tatsache, dass in Kirgistan ein grosser Mix von
unterschiedlichen Nationalitäten und Kulturen aufeinandertreffen. Auch ist hier
alles ein wenig lockerer und spontaner als in der Schweiz.
In diesem Eintrag möchte ich ein grobes
Bild der momentanen Situation in Bischkek sowie Kirgistan zeichnen. Dabei ist
mir bewusst, dass vieles sehr subjektiv ist. Was mich stört kann für andere
ganz normal sein. Dazu habe ich einige Fragen an Sezim, eine Mitarbeiterin an
der Universität, gestellt. Die Fragen und Antworten sind ganz am Schluss angehängt.
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Ala-Too Platz mit Manas Statue. Quelle: Carnal 2020 |
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Blick auf die nahegelegenen Berge. Quelle: Carnal 2020 |
Wie siehst du dein Gastland/Bischkek in 10 Jahren?
Die Entwicklung von Bischkek und ganz
Kirgistan für die nächsten zehn Jahre abzuschätzen ist in meinen Augen sehr
schwierig. Es hat sich seit der Unabhängigkeit, vor bald 30 Jahren sehr viel
getan. So gehört Kirgistan beispielsweise zu einer der wenigen Staaten in
Zentralasien mit einer funktionierenden Demokratie. Mit Ausnahme einiger Grenzstreitigkeiten
mit den Nachbarsländern und zwischenzeitlichen Unruhen zwischen
unterschiedlichen Ethnien sowie der Absetzung zweier Präsidenten in den Jahren
2005 und 2010 kann die Situation dennoch als einigermassen stabil und ruhig bezeichnet
werden. Die Infrastruktur für Telekommunikation und Verkehr empfinde ich
zumindest in Bischkek als sehr gut. Es gibt sehr viele Restaurants mit sehr
gutem Essen und in so gut wie jedem Quartier existieren Einkaufsmöglichkeiten. Auch
was die Situation in entlegeneren Regionen betrifft so hat sich die allgemeine
Situation in den letzten Jahren verbessert. Besonders stolz ist man auf die
sehr schmucken Einkaufszentren.
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Eines der vielen Einkaufszentren im Zentrum von Bischkek, das Tsum Center. Quelle: Carnal 2020 |
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Ein Blick auf den Osch-Basar auf dem man einfach alles kaufen kann. Quelle: Carnal 2020 |
Generell sind die Menschen sehr gut gekleidet
und legen auch Wert auf ein gepflegtes Äusseres. Von den freundlichen Gesten
könnten man sich auch in der Schweiz eine gehörige Portion abschneiden. So ist
es hier eine absolute Selbstverständlichkeit seinen Sitzplatz Frauen und
älteren Menschen ohne Aufforderung anzubieten. Grüssen tun sich hier nur die
Männer untereinander mit einem herzlichen Händeschütteln.
Aber natürlich ist nicht Alles nur positiv.
So sind beispielsweise die Mieten im Vergleich zu den Durchschnittslöhnen sehr
hoch. Für meine Wohnung im Zentrum bezahle ich 300 USD pro Monat. Man beachte:
Ein Durchschnittslohn eines normalen Arbeiternehmers in Kirgistan liegt gemäss
Internetrecherche bei 800 USD pro Monat! Viele mit denen ich gesprochen haben
gehen sogar eher von Durchschnittslöhnen um die 250 USD aus. Es verwundert
daher nicht, dass ein Grossteil der Familien noch immer auf Zahlungen von
Angehörigen aus dem Ausland angewiesen sind.
Korruption und Vetternwirtschaft sind in
Kirgistan ein grosses Problem. Ersteres konnten wir am eigenen Leibe
miterleben. Auf dem späten Nachhauseweg von Almaty nach Bischkek wurde unser
Taxi von einem Polizisten angehalten. Da der Chauffeur die benötigten
Fahrzeugpapiere nicht bei sich hatte, hätte er uns eigentlich ausladen und auf
die Polizeistation gehen müssen. Stattdessen fuhr der Polizist sein Auto an den
nicht beleuchteten Strassenrand und befahl dem Chauffeur einzusteigen. Nach
ein, zwei Minuten und der Bezahlung einer guten Stange Geld rannte unser Fahrer
zurück in unser Auto und sah zu, dass wir uns schleunigst aus dem Staub machten.
Leider ist dieser Vorfall eher die Regel als die Ausnahme wie wir auf
Nachfragen erfuhren. Auch zu Beginn des Praktikums wurde mir mitgeteilt, bei
Problemen lieber nicht die Polizei zu rufen, da diese ausser Geld einzustecken,
nicht viel unternehmen würden. Ob und wie diese Probleme in den nächsten Jahren
bekämpft werden können steht in den Sternen. Es fehlt an Mitteln und dem Willen
auch wirklich etwas ändern zu wollen.
Was die Anstrengungen zur Verringerung der Umweltverschmutzung
angeht sieht es für Bischkek eher düster aus. Wie bereits Studenten aus
früheren Jahren vermerkt haben, hat sich die Luftqualität in den letzten Jahren
deutlich verschlechtert. Dies geht auf die Zunahme an (meist älterer) Autos und
dem Fällen von vielen Bäumen, die noch aus der Sowjetzeit stammen zurück. Zeitweise
gehörte Bischkek zu den Städten mit der höchsten Luftverschmutzung weltweit [1,
2].
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Inversion über Bischkek am Morgen. Der graue Dunst stammt von einem der vielen Kraftwerke direkt neben der Stadt. Quelle: Carnal 2020 |
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Das Bild lässt erahnen wie stark der Smog teilweise sein kann, dabei ist die Luft noch vergleichsweise klar. Gegen Abend kann man dann oft nicht einmal mehr den Himmel sehen. Quelle: Carnal 2020 |
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Baum Neupflanzungen innerhalb eines nahegelegenen Parks in Bischkek. Quelle: Carnal 2020 |
Wie kommst du bei deinem Projekt voran? Erfolge, Stolpersteine? Wie läuft die Arbeit im Team? Erzähle von deiner Arbeit die du geleistet hast!
Die Arbeit im Labor läuft bisweilen
unvermindert ohne grössere Störungen weiter. Zeitweise hatten wir ein Problem
mit Kontaminationen in den Ansätzen der PCR, wobei nicht ganz klar war, von wo
die Verunreinigungen herkamen. Nach einigen Analysen und austesten konnten wir
den Ursachen auf den Grund gehen und haben in den zwei Monaten bereits einen
grossen Teil der Ziele, die ich mir gesetzt habe, erledigt. Dadurch hatte ich
Zeit den zwei Studentinnen Elzat und Sagynach ein wenig allgemeine
Laborpraktiken zu zeigen und beizubringen. Auch habe ich Sagynych dabei
geholfen ihren Lebenslauf sowie ein Motivationsschreiben auf Englisch zu
schreiben, damit sie sich für einen Auslandsmaster in Ungarn bewerben konnte.
Die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten gestaltet sich bisher sehr harmonisch,
auch wenn es manchmal schwierig ist sich zu verständigen. Dies da mein Russisch
und das Englisch einiger Studenten, nun ja, gelinde gesagt ausbaufähig sind. Dennoch
werde ich sehr freundlich behandelt und der anfängliche zu grosse Respekt
meiner Person gegenüber hat sich gelegt.
Welche Aufgaben stehen in der verbleibenden Zeit noch an?
In den nächsten Tagen senden wir einige
Proben von Streptomyces Isolaten nach Südkorea, um sie dort von einem
Dienstleistungslabor sequenzieren zu lassen. Zudem möchte ich für Kirgistan
eine Übersichtskarte mit allen positiven und analysierten Fällen von Feuerbrand
erstellen. Diese soll dabei helfen genauer zu verstehen wie sich das Bakterium
im Land ausbreitet und ob es mehrere Import-Wellen von infizierten Jungbäumen gab.
Denn darauf deuten die bisherigen Ergebnisse hin.
Hättest du noch ein Jahr länger Zeit bei deiner Organisation zu arbeiten, was würdest du noch alles in Angriff nehmen wollen?
Die Forschungsgruppe wird sobald es
draussen wärmer wird, damit beginnen biologische Bekämpfungsmittel gegen Erwinia
amylovora in Feldversuchen zu testen. Diese Arbeit fände ich äusserst
interessant zu begleiten und ebenfalls mit Laboranalysen zu vervollständigen. Zudem
kommen auch dieses Jahr wieder neue E. amylovora Isolate von infizierten
Bäumen hinzu, die es zu analysieren gilt. Ausserdem bin ich bereits daran, eine
Liste mit benötigten Geräten und Materialien für das Labor zusammenzustellen.
Inwiefern ich in den verbleibenden fünf Wochen noch Zeit habe auch die
Bestellungen aufzugeben ist noch nicht ganz klar.
[1]
https://akipress.com/news:629914:Bishkek_temporarily_becomes_one_of_most_polluted_cities_in_world/
[2] https://24.kg/english/136517_Bishkek_takes_14th_place_in_air_pollution_ranking/
Interview mit Sezim
Question
1: How happy are you with your current situation (studies, job, friends and so
on…)?
Hello, I`m
Sezim. I`m 25 and I work at Kyrgyz-Turkish “Manas” university as a research
assistant. I`m working here for about two years and I really love my job. Every
time I learn something new, discovering more opportunities for myself, and my
teachers, friends and of course my family always help me with this.
Question
2: How is life in Kyrgyzstan? Are you happy with how things are, or do you
think there is room for some changes (politics, air quality, economy, …)?
In my opinion, life in Kyrgyzstan is very difficult.
There is a high unemployment rate. It is not easy for people to find a job
after graduation from educational institutions. So that`s why, the able-bodied
population of the country is forced to immigrate to other countries in the hope
of a better life. Currently one of the main activities is light industry and
private small business. The standard of living of the population is mainly
supported by remittances from migrants and agriculture. But there are also good
aspects of life in Kyrgyzstan, these are nature, mountains, clean air, kind and
hospitable people.
Question 3: In the past ten years, do you think
some transformation happened (religion, politics, did the mindset of the people
change)? Did these changes affect your private life?
Over the past 10 years, life in Kyrgyzstan has
not changed much, the political elite has remained the same, that is, mainly
those people with outdated political views and foundations come to power. The
population of country still continues to immigrate, increase the number of
children growing without parents and proper education. And this is very sad.
Question 4: How do you see Kyrgyzstan or
Bishkek in ten years? Will the situation of the people be better, same or
worse?
In the future, everyone certainly wants to see
the country prosper in all areas. But given the current realities, this seems
to be something very distant. But people in Kyrgyzstan are get used to looking
positively at the future and living with hope for better changes.
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